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Tag 8, 26. Juni 1964

Dieser Tag begann wie jeder andere mit dem Wecken um 7:15 Uhr. Wir hatten uns vorgenommen, einen Abstecher ins benachbarte Schweden zu machen. Die Hafenstadt Malmö sollte besucht werden, die genau gegenüber Kopenhagen am Sund liegt.

B74 Kurz vor der Abfahrt

Um 10 Uhr standen wir alle abfahrtsbereit am Hafen, mit Ausnahme unseres Pädagogen Kickermann, der den Wunsch äußerte, ob des strahlenden Sonnenscheins in Kopenhagen zurückzubleiben. Dem Wunsch wurde stattgegeben, und es ging mit einem Tragflächenboot in rasender Fahrt über den Öresund. Nach 35 Minuten betraten wir schwedischen Boden, ohne daß man uns mit irgendwelchen Formalitäten belästigt hätte. Chrustchow war offensichtlich schon außer Landes.

B75 Gleitboot

Nachdem wir von der Hafengegend einen ersten Eindruck gewonnen hatten, betraten wir um 11:30 Uhr schon wieder den schwankenden Boden eines Wasserfahrzeuges, zwecks der allerseits beliebten Hafenrundfahrt. Wir durchfuhren idyllische Parkanlagen, schmutzige, graue Industrieanlagen und passierten verkehrsreiche Plätze und Straßen. Wir unterfuhren die längste, kürzeste, höchste, niedrigste, älteste, neueste, schönste und beste Brücke der Stadt Malmö. Alles dies und ähnliches mehr behauptete jedenfalls unser sprachgewaltiger Fremdenführer. Am Ende dieser brückenreichen Rundfahrt gegen 12 Uhr offerierte man uns Photos, auf denen wir uns selbst wiedererkannten oder jedenfalls so taten.

B76 Malmoe Brunnen

Dankend, aber bestimmt lehnten wohl die meisten von uns dieses, für den Verkäufer lukratives Angebot ab. Bis 13:30 Uhr wurde uns Gelegenheit gegeben, die Stadt auf eigene Paust zu erkunden. Meine Freunde und ich nutzten die Gelegenheit, uns mit einem heißen Würstchen - Pölser genannt - zu stärken. Wir machten dabei die Erfahrung, daß diese Art von Lebensmittel anscheinend in ganz Skandinavien zu einem Einheitspreis verkauft wird. Derart gestärkt machten wir uns auf den Weg, die Schönheiten der Stadt näher kennenzulernen. Einige besonders herausragende wurden sogleich auf den Film gebannt.

Nachdem wir uns Appetit geholt hatten, gingen wir daran, unseren Erkundungshunger zu stillen. Hans-Peter referierte kurz auf dem Rathausplatz im Schatten altehrwürdiger Häuser und im Anblick eines erfrischend sprudelnden Brunnens aus neuester Zeit über die in jedem Werbeprospekt nachzulesende Geschichte und Bedeutung der Stadt. Danach lenkten wir gemeinsam unsere Schritte zur St. Petri-Kirche, die mit einem herrlichen Hochaltar im Renaissancestil aufzuwarten hatte.

B79 Malmoe Rathaus

Durch verkehrsarme Nebenstraßen und gepflegte Parks gelangten wir schließlich zum Schloß Malmös, das freilich nach unserer aller Meinung eher einem Gefängnis glich als einem Schloß. Aus aktuellem politischen Anlaß beherbergte das als Museum verwendete Schloß eine Ausstellung russischer Kunst, Wir wagten den Schritt in ein antiwestliches Propagandazentrum, aber als wir begannen, die dargebotenen Werke auf unsere Weise zu interpretieren - spontan und unvorbereitet stellte sich ein nervenzermürbender Gleichschritt ein - brach die Aufsichtsperson, in Gestalt unseres Klassenlehrers, abrupt die Besichtigung ab.

Durch die glühend heiße Sonne spazierten wir zum Badestrand am Meer. Leider konnten wir nur den Anblick, nicht aber das erfrischende Naß selbst genießen. Etwas wehmütig nahmen wir Abschied von den munter plätschernden Wellen und wandten uns wieder dem Stadtkern zu. Hier durchstreiften wir die Geschäftsstraßen und verglichen die hiesigen Preise mit den heimischen.

Um 16:30 Uhr c.t. wurde zum Sammeln geblasen, und um 17 Uhr betraten wir die MS Örestad, das Schiff, welches uns wieder nach Kopenhagen bringen sollte. Nach dem schweißtreibenden Stadtrundgang in der Sonnenglut taten uns der frische Seewind und andere Erfrischungen gut. Dabei brachte es doch tatsächlich einer fertig, sich von einer Flasche Bier einen Schwips anzutrinken, der auch nach der neunzigminütigen Fahrt noch nicht verflogen war.

Gesund und sicher in Kopenhagen angekommen, erhielten wir freien Ausgang bis um 22:30 s.t. wie üblich. Alle kamen pünktlich, die Artigen, in der Jugendherberge an, so daß unseren Pädagogen Aufregungen und unnötige Strafpredigten erspart blieben.