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Tag 10, 28. Juni 1964

Kurz vor sieben Uhr brach für uns der letzte Tag in Kopenhagen an. Ein letztes Mal lassen wir uns das reichliche, gute Frühstück schmecken. Bald darauf sind die Koffer gepackt, und nun geht es mit der Straßenbahn durch die sonntäglich leeren Straßen zum Hauptbahnhof. Dort herrscht natürlich schon Hochbetrieb, die Bänke sind mit kofferumstandenen Menschen besetzt. Nicht alle tun so nutzlose Dinge wie Zeitunglesen, einer plagt sich z.B. mit Mathematik. Nun, dem kann geholfen worden. Souverän löst unser kompetenter Kopf diese Aufgabe. Dann geht es in den Italia-Express Kopenhagen-Rom, der schon auf dem Bahnsteig wartet.

Dieter hat seine Fahrkarte verloren, aber die erste Hürde, die Kontrolle an der Sperre, kann trotzdem genommen werden. Zur leichteren Überwindung weiterer Kontrollen "darf" er von nun an mit den Pädagogen in einem Abteil reisen. Viele trennen sich ungern von Kopenhagen, einer telefoniert noch, ein anderer schreibt einen Brief mit Kopenhagener Adresse, das alles sind gute Zeichen dafür, daß die durch täglichen 8 bis 9stündigen Schlaf gestärkten Oberprimaner durch Vitalität und Ausgeruhtheit überall angenehm aufgefallen sind.

Schnell ist Rødbyhaven, der dänische Hafen der Vogelfluglinie, erreicht. Der dunkle Schiffsbauch nimmt unseren Zug auf. Nun kann ein jeder seinen eigenen Interessen nachgehen; einer belichtet noch die letzten Meter seines Films, falsch, wie sich später herausstellt. Andere laufen mit glücklichen Händlermienen und ausgebeulten Taschen umher, ihnen steht die Vorfreude auf viele verbilligte "Züge" ins Gesicht geschrieben. Im Restaurant genießen andere die gute Schiffsküche. Immer wieder umkreisten sie lüstern das riesige kalte Büfett. Andere wiederum wissen, daß sie in jedem Augenblick die Bundesrepublik Deutschland repräsentieren, sie wollen nicht raffen oder schlingen, sie machen in Völkerfreundschaft.

B89 Vogelfluglinie

Die Seefahrt ist kurz. Der Zoll wird passiert. Die "Ware" wird gut über viele verteilt, und so bringen viele wenig, aber wenige viel durch die Kontrollen. Dann sitzen wir wieder im Zug, spielen Bridge, Skat, singen und bestaunen die neue Brücke über den Fehmarnsund, die, weil mathematisch richtig auch schön ist, klingt es uns in den Ohren. Zugfahrten sind langweilig, man kann nur spielen, lesen, schlafen oder auf die Gänge gehen und in die Abteile sehen, was selten interessanter ist. Ein Trost ist es nur, daß die Zeit wenigstens kriecht und nicht ganz still steht. Endlich haben wir Hannover erreicht. Einige Minuten sind noch bis zur Abfahrt des Zuges nach Braunschweig Zeit. Auf dem Bahnsteig singen und johlen einige junge Männer, wie ekelhaft und primitiv; Hannover 96 hat den Sprung in die Bundesliga geschafft, wenn die Quersumme ihres Namens ihr Tabellenplatz wird, was man ihnen nur wünschen kann, ja, dann werden wir — laut johlen.

Unser Zug nach Braunschweig ist stark besetzt, einige Fahrgäste müssen gefeuert werden und weiter hört man:"18, 20", oder "drei Kreuz, drei Karo" und auch ganz leise: "Ich gehe mit, will sehen, alles her! Roll flash".

B87 Rueckfahrt

Braunschweig kommt näher, für die einen Anlaß zur Freude, für die anderen zur Traurigkeit, denn kein Mädchen lächelt mehr, wenn wir winken. Auf den Weiden stehen keine fetten braunen Kühe, sondern schwarz-weißes Niederungsvieh. Schwarzer Rauch entquillt hohen Industrieschloten, die hier das Landschaftsbild bestimmen, das lange nicht so reizvoll ist, wie das in Dänemark, mit den wunderschönen Einfamilienhäusern und den gut gepflegten Vorgärten.

In Braunschweig angekommen, zerstreuen wir uns nach kurzem Abschied schnell. Nicht wenige gehen mit dem Vorsatz nach Hause, bald wieder nach Dänemark zu reisen, denn es hat uns sehr, sehr gut gefallen in dem grünen Nachbarland im Norden!