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Die letzten anderthalb Tage der Studienfahrt (Würzburg):

6:00 Uhr: Erstes Wecken durch die nahen Glocken von St. Burkard. 6:45 Uhr: Zweites Wecken durch Lehrer und knarrende Betten.

Etwa um halb acht (mit Verfrühung) frühstückten wir. Zur Besichtigung hatte einer von uns nur leichte Schuhe an. "Ihr seid wohl Kinder", war die Reaktion. Der Betroffene zog sich andere an und wir überlegten, ob das eine Beschimpfung sei.

Fremdenführer Zickler klärte uns über den altehrwürdigen Boden auf: "Dort St. Burkard mit Madonna, natürlich Riemenschneider. Bei einer Vergrößerung wurde die Straße drunter durch gebaut. Am Wehr dort, der berühmtesten Mainbrücke, sehen wir Standbilder von Heiligen, von denen einige fehlen."

Auch als Stenograf hatte man es noch schwer bei seiner Zungenfer­tigkeit,

Auf dem Schloß: "Vor euch liegt Würzburg - aha - es wurde von den Hohenzollern wegen der schönen Weinberge bevorzugt, die aller­dings noch nicht da waren, Etwas später erlebte es seine glanzvollste Blütezeit."

Auf einem anderen Berge sehen wir zum ersten Male das Käppelle. Von hier wirkt es schöner als von innen, Gegen 9»oo Uhr erhalten wir vor einer Führung noch einmal Freizeit. Sie wird mit Freuden zum Pflaumen- und Birnenfällen im Schloßgarten benutzt. Die faulen Jungen werden von den fleißigen aus dem Burggraben mit Obst unter Beschuß genommen.

Bei der Besichtigung der Marienfeste fehlte wieder der Lehrer, der sich ausruhen mußte. Strafe: es war die beste Führung, die wir mitmachten. Vorher Ermahnung Zicklers an die ihm Anvertrauten: "Er will keine Klagen hören von wegen Zwicken im Dunkeln." Gemurmel.

Wir bewundern einen Turm, den wir nicht einmal besteigen, die erste - mit erste, schönste, größte sind wir gut vertraut! - Rundkirche östlich des Rheins. Besonders erwähnt wurde, daß der Renaissanceschmuck später hineingekommen sei. Übrigens zu Ehren Kilians (die Kirche!).

Dann starren wir in einen schallfressenden 106 m tiefen Brunnen, dürfen aber nicht hineinklettern. Mit Folterwerkzeugen - wahr­scheinlich einheimischer Meister! - wie man sie hier in Tilmans Gefängnis sieht, sind wir schon vertraut. Einer der Insassen dieses Gefängnisses starb - jedoch - unnatürlich. "Julius Echter starb am Herzschlag, er war schon vorher recht rabiat." Der Führer ist ein (früherer) Ungar. Wir erblicken ein Tuch:" Das Schnupftuch brauchte man nicht zum Naseputzen; dazu hatte man einfachere Arten."

Die früheren Bewohner des Schlosses hatten Angst um ihr Geld, Denn: "Sie verschlossen ihr Geld in Truhen, auf deren Grund ein Hund gemalt war." Schade, wenn man auf den Hund gekommen war. Auch Truhe II ist verschlossen: "Diese kann ich Ihnen nicht vorführen, da ein Besucher aus Versehen den Schlüssel mitgenommen hat." Schade, daß keine Truhe III da war; auch wir hätten gerne ein Andenken gehabt.

Die Pulverkammer: "Vorsicht sagte man sich und lagerte das Pulver bei Fackellicht!" Dann sehen wir unter die Burg. 8 km lan­ge Verteidigungsgänge ziehen sich unter ihr hin. Vom Fürstengarten schauen wir auf die Stadt; wie Dresden, das ja auch be­deutende Kulturstadt war, wurde auch Würzburg fast vollständig zerstört. Zu 81%! "Früher -" durften wir nun vernehmen - "stellte ich meinen Besuchern angesichts dieser Zerstörung und als unbetei­ligter Ungar immer die Frage, ob es auch unter den Alliierten Kriegsverbrecher gegeben habe, Seit mir das der Verfassungs­schutz verboten hat, tue ich das nicht mehr. Dort sehen sie die Kugelschreiber bzw. Zahnstocher, in weniger profanem Deutsch: die Johanniskirche."

St. Alfons entpuppte sich als Gebetabschußrampe oder Landebahn des Heiligen Geistes.

Wir freuten uns über diese endlich einmal nicht so trockene Führung. Dann geht's ins Rheinfränkische Museum mit Standbildern - links ein Riemenschneider, rechts ein Riemenschneider - mit alten Wohnungseinrichtungen, aber wenig Mädchen. So waren die Altertümer bald besichtigt und wir konnten schon um 1:00 Uhr essen.

Um 2.00 Uhr geht es ab zum Stadtbummel; es wird gebummelt.

"Drüben der Kran ist ein Wahrzeichen Würzburgs, hier das Neu­münster ein weiteres. Erbaut ist es über der Kiliangruft, doch dürfen wir die Betenden nicht stören. Dafür sehen wir hier draußen eine Steinplatte, die uns daran erinnert, daß Walther von der Vogelweide hier begraben ist."

Der Dom war herrlich und wurde 1033 begonnen. Er wurde restau­riert, und wir konnten ihn nicht besichtigen. Kurz vor drei erreichen wir die Residenz, Davor ein Brunnen, Mit nassem Wasser, wie einige jedoch erst noch feststellen mußten. Im Treppenaufgang: "Und da seht ihr einige Figuren - die da fehlen." Woher soll der Prospekt auch wissen, daß restauriert wird?

Am Gemälde Tiepolos entspannen sich Debatten: ist jenes Bein gemalt oder aus Stück und ragt in den Raum. Meist war alles täuschend gemalt, Ob alle bemerkten, daß Ägypten in Asien lag und einige Tiere in falschen Erdteilen herumliefen? Im Kaisersaal hielten einige die Spiegel für Türen und in der Marienkapelle die Uhren für nicht angebracht. Für uns Norddeutsche waren diese Barockkirchen wohl zu überladen. In einer Verschnauf­pause ergingen wir uns im Schloßgarten und marschierten dann zur Johanniskirche ab. Die Zahnstocher erwiesen sich als würdig, aufs Bild gebannt zu werden - jedenfalls von innen.

Joachim stöberte Grünewalds Bild vom Isenheimer Altar auf (in einer herrlichen gotischen Kirche), doch war es wohl eine Nachbildung, wie wir alle sachkundig .feststellten.

Auf dem Rückweg bestaunten wir von außen (innen der Eigen­initiative überlassen) das Bürgerspital mit Glockenspiel und das Juliusspital. Außerdem gefiel uns sehr ein altes Bürger­haus: "Zum Falken“. Wieder in der Jugendherberge erfreute uns sehr das 0:1 in Saarbrücken, Außerdem kicherten wir über unsere Nachbarn, die auf die an uns gerichtete Lehrermahnung: "Wenn ihr so laut seid wie die, kriegt ihr's mit mir zu tun" merklich leiser wurden.

Das folgende Würzburger Abendleben ist in einzelnen Tagebüchern nachzulesen, Erwähnenswert ist die dreiköpfige Gruppe, die 3 Bocksbeutel im Triumpf heimführte. Mit den gehörigen Ernste ging!s ins Bett: einem fehlten die Knöpfe am Schlafanzug. Gott sei Dank, daß nebenan einige nicht mehr ganz nüchterne Mädchen, aber noch sehr jungen Alters, zu finden waren, die die Knöpfe gleich mehrmals annähten. Zum Verabschieden kamen selbige noch in die Schlafräume, wobei sich laut Augenzeugenberichten einer der unseren nur noch durch einen kühnen Sprung hinters Bett ge­rettet haben soll»

Mit dem Trost: Wir kommen noch einmal zogen die längst nachtmäßig bekleideten Besucherinnen ab; während wir zum Waschen wanderten, Inzwischen war der Lehrer fertig, was von den Mädchen beim zweiten Besuch jedoch zu spät erfaßt wurde.

Souverän rettete er die Situation: "Gute-Nacht-Küßchen gibt!s heute nicht mehr." Einen Augenblick, waren die Mädel verdutzt, dann aber wir und wohl auch der Lehrer: "Och, wir haben noch mehr zu bieten," war die Antwort.

Weg waren sie und wir krochen beruhigt ins Bett.

Wir standen fast vor dem Hahn auf. Nach dem Frühstück ging jeder seine eigenen Wege und erst auf dem Käppelle trafen wir uns wieder. Der Aufgang mit den Stationen war wohl für alle etwas noch nie Gesehenes. Die Innenausstattung der Kirche gefiel uns jedoch nicht. Fesselnder war da schon die deutsche Rechtschreibungsreform, wobei die meisten für Kleinschreibung plädieren.

Hach dem Mittagessen begaben wir uns viel zu früh auf den Bahnhof, wo wir noch lange herumlungerten. Endlich der Zug. Wir steigen ein. Die Heimfahrt war, mindestens in unserem Abteil, vergnügter als die Hinfahrt. Auf dem letzten Stück kriegten wir beinahe die Fahrräder nicht unter; aber es klappte doch noch, und so kamen alle am nächsten Tag pünktlich in die Schule - bis auf den Lehrer; ihn hatten wir wohl zu sehr angestrengt. Auf der Fahrt nach Dänemark wollen wir uns bessern.