Die Stationen der Studienfahrt nach Tagen geordnet:
Tag 1, 19. Juni 1964 | Anreise bis Schleswig |
Tag 2, 20. Juni 1964 | Fahrt nach Aarhus |
Tag 3, 21. Juni 1964 | Fahrt nach Ko(o)penhagen |
Tag 4, 22. Juni 1964 | Umzug nach Gladsaxe |
Tag 5, 23. Juni 1964 | Stadtführung Kopenhagen |
Tag 6, 24. Juni 1964 | Carlsberg-Brauerei + Seejungfrau |
Tag 7, 25. Juni 1964 | Seeland-Rundfahrt |
Tag 8, 26. Juni 1964 | Besuch von Malmö |
Tag 9, 27. Juni 1964 | Brauerei Tuborg + Hafenbummel |
Tag 10, 28. Juni 1964 | Rückreise von Kopenhagen |
Das Original des Fahrtberichts gibt es hier als PDF!
Tag 1, 19. Juni 1964
Obgleich nicht jeder aus unserer Klasse von Anfang an auf den Vorschlag einer Studienfahrt nach Dänemark eingehen wollte, weil einige lieber in den Süden gefahren wären, entschlossen wir uns nach einigem Für und Wider für die Fahrt über Schleswig und Aarhus nach Kopenhagen. Da drei Klassenkameraden nicht mitfahren konnten, schmolz unsere Zahl auf 16 Schüler und zwei Lehrer, die wir aus mancherlei Gründen mitnehmen mußten, zusammen; doch ich hoffe, daß wir unseren Klassenlehrer, Herrn Koop, und unseren "Kunsterzieher", Herrn Kickermann, im Laufe der ereignisreichen Zeit nicht allzusehr geärgert haben.
So trafen wir uns am 19. Juni, um 6:15 Uhr am Hauptbahnhof und rollten 25 min später in Richtung Schleswig ab, die trauernden Lieben zurücklassend. Aus Wolfenbüttel übernahmen wir noch schnell Herrn Koop und einen Klassenkameraden. Damit waren wir alle zusammen. Wohlbehalten kamen wir, ohne etwas Besonderes erlebt zu haben, nach der Fahrt über Celle, Uelzen und Hamburg gegen 11.45 Uhr im Schleswiger Bahnhof an.
Der anschließende Gewaltmarsch mit unserem schweren Gepäck zur ziemlich hoch über- und außerhalb der Stadt gelegenen Jugendherberge verursachte ein Stimmungstief, das sich in üblen Aussprüchen, die leider an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden können, äußerte. Schließlich schafften wir es doch trotz Wind und Erschöpfung, den steilen Weg hinaufzukraxeln.
Im Lesezimmer der D.J.H., unserem vorläufigen Aufenthaltsraum, auch für unser Gepäck, aßen wir etwas vom letzten Reiseproviant. Nach einer kurzen Lagebesprechung machten wir uns für den nachmittäglichen Spaziergang durch die Stadt der alten Wikinger fertig. Einer dieser alten Nordmänner, natürlich nur ein riesiger Bronzejüngling, hatte uns schon auf die Gründer des Städtchens hingewiesen.
Die Geschichte begann außerhalb der heutigen Stadtgrenzen. Am Haddebyer Noor, an einem Meeresarm der Ostsee, wenige Kilometer südlicher, stand die Wiege Schleswigs. Die ältesten Reste der früheren Besiedlung sind große Erdwälle, die die alten Wikinger etwa im 6. Jahrhundert zu ihrem Schutz gegen Slawen und kriegerische Germanenstämme angelegt hatten. Als um 800 der dänische König mit seiner Flotte dort Schutz gegen die rauhe Nordsee suchte, gefiel ihm dieser Ort ausgezeichnet. Er ließ deshalb die Befestigungen des Ortes, den man damals Haithabu nannte, erweitern. Dieser alte Vorläufer Schleswigs wurde ein wichtiger Umschlagplatz für Waren der Dänen. Später, am Anfang des 10. Jahrhunderts, war die Stadt eine Zeitlang von den Schweden besetzt gehalten, 934 wurde Haithabu von Heinrich I erobert und von einem deutschen Markgrafen regiert. Im 11 . Jahrhundert, nachdem die Wenden den Ort wiederholt verwüstet hatten, machten sich die Einwohner daran, eine neue Stadt am Nordufer der Schlei zu errichten, dort, wo heute der Dom steht.
Inzwischen hatten wir, von dem einsetzenden Regen zur Eile angetrieben, unser erstes Ziel, Schloß Gottorf, ein Museum für Vorgeschichte, erreicht. Es ist hier nicht genügend Platz und Zeit, um von der Fülle der ausgestellten Gegenstände zu berichten. Vom Feuersteindolch über ein sehr guterhaltenes Wikingerschiff, das Nydamboot, bis zu den ausgestellten Moorleichen, die nicht gerade sehr appetitanregend waren, war vieles, vieles zu sehen. In den unteren Räumen des riesigen Gebäudes befand sich sogar eine Ausstellung moderner Gemälde, die zu hitzigen Diskussionen anregte.
Wir erholten uns von der Unzahl der Eindrücke auf einer Wanderung durch die Stadt zur Schlei. Es hatte wieder aufgehört zu regnen, wir bummelten auf der Kaimauer des Jachthafens entlang in Richtung Dom.
Dabei passierte es einem von uns, beim Versuch den Weg abzukürzen, daß er in ein feuchtes, mit Gräben durchzogenes Gelände geriet, aus dem er sich nur durch einen kühnen Sprung retten konnte. Den Dom der Stadt erreichten wir durch einige winklige Gassen der Altstadt.
Der 112 m hohe Hauptturm wurde am Ende des 19. Jahrhunderts errichtet und ist in der Mitte der 50ziger Jahre mit einer Backsteinverblendung versehen worden. Das recht einfache Hauptgebäude (110 m lang, 40 m breit) zeigt einige Abwechslung durch die unterschiedlichen Farben der großen Backsteine, die einen Großteil der Innenwände bedecken. Sie sind für eine Kirche zusammen mit den anderen Teilen unterschiedlichen Alters ungewöhnlich. Die in der Nordostecke eingebauten alten Löwen und Portale erinnern zusammen mit den eigenartig glasierten Ziegelsteinen an Bauwerke der alten Assyrer, Das schönste Stück des Doms ist jedoch der Bordesholmer Altar, geschnitzt von Hans Brüggemann aus Walsrode bei Hannover. Das Werk des Zeitgenossen Dürers und Riemenschneiders wurde im 17. Jahrhundert aus dem Augustinerkloster Bordesholm nach Schleswig überführt.
Die einzelnen unbemalten Gruppen sind als Ganzes aus Eichenholz geschnitten. Von außen wurden noch einige Aufnahmen des Doms geschossen, dann machten wir uns auf den Weg durch die Stadt in Richtung Jugendherberge.
Plötzlich hörten wir das Bimmeln eines Güterzuges, der zu unser aller Erstaunen mitten auf der Straße langsam, den Autos den Weg versperrend, daherrollte. Nach diesem wirklich nicht alltäglichen Anblick schlenderten wir auf getrennten Wegen den Berg hinauf zu unserer Unterkunft, die uns schon bald mit dem Abendbrot beehrte, in Form vieler Kartoffeln, zweier hartgekochter Eier mit einer bräunlichen Mehltunke, die man mit viel Wohlwollen auch als Senfsoße bezeichnen konnte.
Die Zeit von 19:00 Uhr verbrachten wir dann getrennt. Die meisten wohl bei einem kühlen Bier, denn schon am nächsten Abend würden wir in Aarhus auf den Genuß eines guten deutschen Bieres verzichten müssen. Nachdem wir uns alle pünktlich um 21.30 Uhr vor der Jugendherberge getroffen hatten, begaben wir uns in die Betten, ermüdet vom ersten Tag der Reise.