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Tag 5, 23. Juni 1964

Um acht Uhr werden wir aus unserem tiefen Schlaf gerissen, denn im Vandrehjem läßt es sich besser schlafen, als im Durchgangslager Thomas P. Heiljes. Inzwischen haben wir uns von dem Schrecken, daß wir abreisen sollten, erholt.

Wir gehen zum Waschen oder auch zum Duschen, Ja, hier gibt es Duschen! Das Vandrejem ist wirklich ein Geschenk der Götter, wenn man es mit dem Ungdomshus in der Nørrevoldgade vergleicht. Der Mädchenschlafsaal liegt übrigens gleich nebenan. Und der Waschraum dieser Geschöpfe hat seine Tür gleich gegenüber dem Männerwaschraum. Schlecht ergeht es dem, der die Türen verwechselt! Dann geht's frühstücken. Jeder erhält eine Morgenmads-Karte und stellt sich ans Ende der Menschenschlange, die etwas in den Magen bekommen will.

Um 9:30 Uhr treffen wir uns vor dem Schloß Christiansborg. Ein sehr redegewandter Führer will uns die freigelegten Grundmauern im Keller des Schlosses zeigen, Die Geldfrage wird vorher geregelt. Hansel zückt seinen Brustbeutel, Dieses Geschehen nimmt Herr Kickermann zum Anlaß ihn lobend als "vertrauenswürdigen Mann" zu bezeichnen, worauf sein redegewandter Gesprächspartner, unser Führer, sagte: "Der Kassenwart ist aber äußerst geschickt getarnt". Überhaupt ist unser Schloßbegleiter ein Sprachgenie, er versteht Spanisch, Französich, Deutsch, Italienisch, Englisch und sogar Russisch. Wolf-Jürgen bedauert sehr, daß er die Führung in Deutsch und nicht in Russisch durchführen will.

Dann geht‘s hinunter zum Grundgemäuer. - "Die erste Festung, deren Reste wir sehen, hatte einen Durchmesser von hundert Metern und war auf einer Insel erbaut. Wo wir jetzt stehen, würden wir bis zu den Knien im Seewasser baden". - Ein Glück, daß sich Dänemark seit dem 11.Jahrhundert um einige Meter gehoben hat.

1170 wurde die Stadt Kopenhagen gegründet, 1396 fiel der kriegerische Hansebund in die Stadt ein, schleifte die Stadt und die Festung. Mit dem Wiederaufbau wurde im Jahre 1406 begonnen. Wir gehen am "Blauen Turm" vorbei, der früher das Staatsgefängnis gewesen war. Hier schmachtete die Tochter eines Königs, Elenora Kristines. Sie war mit einem Verräter verheiratet. Ihr Ehemann verriet die Verteidigungspläne der Stadt an die Schweden, Er mußte aber fliehen, da es den Schweden trotzdem nicht gelang, die Stadt einzunehmen. Er kam bis zum Bodensee, dort wurde er ergriffen und erschossen. Die arme Gattin wurde daraufhin von Gustav X, dem Nachfolger ihres Vaters, im "Blauen Turm" eingekerkert. Einsam und verlassen starb sie dort im blühenden Alter von 22 Jahren. Nun erfahren wir, daß 1734 die Christiansborg auf der alten Festung errichtet wurde. Christian war der Erbauer des neuen, prächtigen Schlosses, das jedoch wegen Überheizung abbrannte. So entstand unter der Herrschaft Christians II das zweite Schloß Christiansborg, Den Grundstein des heutigen Schlosses legte Frederik VIII 1907. Nach neunjähriger Bauzeit wurde es vollendet.

B45 Blick auf Kopenhagen

Nun können wir an einer Wand den Abdruck einer Kinderhand bestaunen. Die Frage des Führers, wer schon einmal hier gewesen sei, konnte nur Herr Kickermann mit ja beantworten, aber das sei schon lange her. "Ah!" folgert unser Führer, "Sie sind also schon als Kind hier gewesen!!"

Nach der Führung verlassen wir das Schloß und da die anderen Abteilungen geschlossen sind, begeben wir uns zur Marmorkirche.

Um 12:00 Uhr erleben wir vor dem Wohnsitz der königlichen Familie die Wachablösung. In strömendem Regen präsentieren die Soldaten vor uns die Gewehre. Bis 14:00 Uhr haben wir Zeit ein Restaurant oder ein Kaufhaus zu suchen und zu essen. Einer ließ sich dort wie immer von der Bedienung mit den schönen Beinen streicheln. Pünktlich um 14:00 Uhr erschienen alle Schüler am Eingang des Nationalmuseums. Nur Ki. und Ko. verspäteten sich im Regen!

B50 Kopenhagen Wachablsung

Als wir uns anschicken, die berühmte ethnographische Sammlung zu beschauen, müssen wir feststellen, daß sie geschlossen ist. Nur wenige, nicht so interessante Abteilungen sind geöffnet. So teilen wir uns in Interessengruppen auf. Eine Hälfte geht ins Kunstmuseum, die andere in die noch geöffneten Abteilungen. Bei dem schlechten Wetter lohnt es sich wirklich nicht mehr, die Besichtigungen fortzusetzen; also trennen wir uns um 16:00 Uhr. Jeder darf nun tun und lassen, was er gerne möchte.

Endlich haben wir Gelegenheit, in den Film im Bristol auf der Frederiksgade zu gehen. Die beiden ersten Reihen werden von 15/16 der 13a besetzt, die sich alle unvorbereitet dort getroffen haben. Anscheinend haben alle nur darauf gewartet, diesen Film anzuschauen. Leider mußten wir dann feststellen, daß der Film gar nicht das hielt, was die Reklamebilder vor dem Kino versprachen. Auch, daß einige von uns später eine der Hauptdarstellerinnen im Cafeteria bekleidet wiedersahen, konnte unser Urteil nicht ändern. Mit der Straßenbahnlinie 2 fahren wir zurück ins Vandrejem.